Fachleute ausgenommen, wird es kaum jemand bemerkt haben: 2005 wurden Kartoffeln erstmals mehrheitlich in Entwicklungsländern geerntet – was sich in absehbarer Zukunft auch nicht mehr ändern dürfte. Während die Produktion im Norden sinkt – seit 1997 um 1,2% pro Jahr – nimmt sie im Süden mit 2,5% jährlich mehr als doppelt so schnell zu. Was überraschen mag: Weltweit hat die Bedeutung der Kartoffel als Nahrungsmittel damit tatsächlich abgenommen, denn mit bloß 0,56% pro Jahr blieb die Zunahme der Weltproduktion hinter dem Bevölkerungswachstum zurück. Dieselbe Entwicklung war in diesem Zeitraum auch in Lateinamerika und der Karibik und sogar in Indien festzustellen, dem heute drittgrößten Kartoffelproduzenten nach China und Russland.
Die „Treiber“ des Kartoffelanbaus befanden sich zuletzt im übrigen Asien und in Afrika. Das jährliche Plus in China lag zwar mit 2,31% bloß im Schnitt, wirkt sich aber aufgrund der hohen Ausgangsbasis entsprechend stark aus; Spitzenreiter dürfte wohl Bangladesch sein, wo die Produktion binnen zehn Jahren von 1,5 Mio. auf 4,16 Mio. Tonnen gesteigert werden konnte (+12% pro Jahr!). In Afrika wiederum wuchs die Produktion um mehr als 5,4% jährlich, wobei der Großteil der Zunahme auf die nordafrikanischen Mittelmeerländer und auf Ostafrika entfiel.
Was auf den ersten Blick als „Vormarsch“ der Kartoffel gedeutet werden könnte, entpuppt sich jedoch bei näherem Hinsehen als Symptom ihrer anhaltenden Vernachlässigung. Generell war der Produktionszuwachs bloß einer Ausweitung der Anbauflächen zu verdanken. Die „Ertragslücke“ ist weiterhin hoch – mit ca. 40 Tonnen wurden in Nordamerika 2006 fast viermal so viele Kartoffeln pro Hektar geerntet wie in Afrika. Und dass die Hektarerträge zwischen 1997 und 2006 weltweit praktisch stagnierten (16,2 bzw. 16,73 Tonnen), verhüllt noch negativere regionale Trends. Gerade in den Regionen mit steigender Produktion gingen die Erträge zurück – in Afrika etwa von 11,63 auf 10,95 Tonnen und in Asien von 15,96 auf 15,51 Tonnen, wobei auch China und Indien keine Ausnahme waren.
Höhere Erträge sind aber genau das, was die Mehrheit der kleinen ProduzentInnen im Süden bräuchte, um ihre Ernährungssicherheit zu erhöhen und wirtschaftlich unabhängiger zu werden. Was offensichtlich weiterhin fehlt, ist der vielbeschworene Technologietransfer, angefangen von ertragreicherem Saatgut mit höherer Schädlingsresistenz bis zum integrierten Schädlingsmanagement, ein langjähriges Credo des Internationalen Kartoffelzentrums (CIP) in Peru. Und die nötige Infrastruktur: Im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh mussten im April Kartoffeln unter den Selbstkosten verkauft werden, weil es an Kühllagern fehlt. In Peru wiederum, wo die Regierung wegen der hohen Weizenpreise Bäckereien anhält, Kartoffelmehl beim Brotbacken zu verwenden und Kartoffelbrot an Schulkinder, Häftlinge und SoldatInnen verteilt, gibt es zu wenige Kapazitäten für die Produktion von Kartoffelmehl.
Einige Anzeichen weisen darauf hin, dass der weltweite Höhenflug der Getreidepreise das Profil der Kartoffel als relativ kostengünstige Alternative nachhaltig schärfen und für die entsprechenden Maßnahmen und Investitionen sorgen könnte. Zumindest im politischen Diskurs ist das zum Teil bereits der Fall: In Bangladesch verordnete die Armeeführung Mitte April allen Armeeangehörigen täglich 125 Gramm Kartoffeln, und Perus Landwirtschaftsminister Ismael Benavides sprach von der Notwendigkeit, „die Essgewohnheiten der Menschen“ zu ändern. Damit wird es aber nicht genug sein.